Pflanzenvielfalt
Seit 2019 evaluieren die Naturparke auf einigen beispielhaften Flächen die pflanzliche Vielfalt. Mit den Pflegeumstellungen und Neueinsaaten streben die Naturparke biodiverse Wiesen gebietsheimischer Pflanzen an. Durch den pflanzlichen Artenreichtum finden nicht nur die Allrounder der Insekten Nahrung, sondern auch die Spezialisten. So sind manche Wildbienen beispielsweise auf das Vorkommen einer Pflanzenart angewiesen, andere können Blüten einer ganzen Pflanzenfamilie nutzen.
Die Methode wurde seit 2019 immer weiter verbessert und erweitert. 2024 wurden daher durch externe Unterstützung folgende Daten aufgenommen:
- Pflanzendeckung mit Gräsern [%]
- Pflanzendeckung ohne Gräser [%]
- Aufnahme der dikotylen Arten & deren prozentuale Deckung
- Beispielhafte Fotos
Die erhobenen Daten werden ausgewertet und sowohl dem betreffenden Naturpark als auch der zentralen Koordination bereitgestellt:
- Angabe der Gesamtpflanzendeckung als Indiz für Bodennistmöglichkeiten
- Angabe der Pflanzendeckung ohne Gräser als Indiz für die Blütendeckung: relevant für polylektische (Wild)bienen
- Angabe der Flächendiversität
- Hervorheben von Nahrungspflanzen für oligolektische Wildbienen
- Wenn sinnvoll werden Pflegehinweise flächenabhängig ergänzt
Die Ergebnisse der Pflanzenevaluierung 2024:
Im Jahr 2024 wurden insgesamt 26 Flächen in den sieben Naturparken Baden-Württembergs untersucht. Lediglich eine Fläche war zum Teil gemäht und konnte somit nicht auf der gesamten Fläche betrachtet werden.
Durchschnittliche Artenanzahl dikotyler Pflanzen 2024: 36,9 Arten
Durchschnittliche Anzahl Arten für oligolektische Wildbienen förderlich sind: 15,5 Arten
Durchschnittliche Gesamtdeckung: 87,5 %
Durchschnittliche Deckung der Dikotyledonen: 55,6 %
Der Anteil von für Wildbienen besonders relevanten Pflanzenarten zeigt auf, dass die Blühflächen durchaus auch spezialisierten und seltenen Bienenarten ein attraktives Nahrungsangebot liefern. So sprechen zwischen 31 und 51 Prozent der zur Verfügung stehenden Pflanzenarten pro Fläche die Bedürfnisse oligolektischer Wildbienen an. Zudem werden Insekten vermehrt auch Rückzugsorte, wie zum Beispiel Insektenhotels, Totholzhaufen und sandige Bereiche, zum Überwintern und Nisten geboten.
Die in 2024 untersuchten Flächen sind im Schnitt fünf Jahre alt. Die gefunden dikotylen Arten wurden mit Artenlisten der Original-Saatgutmischungen abgeglichen. Die Ergebnisse über die untersuchten 26 Flächen sind dabei weit gestreut zwischen 25% bis 51%.
Auch bei der gemähten Fläche wurde darauf geachtet, einen Teil der Pflanzen (empfohlen: 10% der Flächengröße) über den Winter stehen zu lassen. Dies ist äußerst wichtig, um zum einen zumindest kleinräumig Lebensräume für adulte Insekten und deren Larven zu erhalten und zum anderen Pflanzen, die vor der Mahd nicht zum Aussamen gekommen sind, eine Wiederbesiedlung der Fläche im kommenden Jahr zu ermöglichen. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Mahd zwingend notwendig ist, um Qualität und Struktur der Blühflächen zu erhalten. Bei Flächen, an denen dies unterlassen wurde, zeigten sich dieses Jahr deutlich höhere Deckungsgrade an Gräsern und ein hoher Verlust an Blühpflanzenarten.
Entwicklung der Flächen
Die Datenaufnahme zur Evaluation der Pflanzenvielfalt auf den Projektflächen findet seit 2019 statt. Viele der Flächen wurden dabei durchgehend über den gesamten Zeitraum beprobt. Im Jahr 2021 gab es eine Anpassung der Methode zur Aufnahme der Pflanzenvielfalt. Zuvor wurden lediglich die Arten aus den ausgebrachten Blühmischungen aufgenommen.
Dies erklärt den starken Anstieg der Artenanzahl auf den Flächen im Jahr 2021. Hinzu kommt, dass sich die Saatgut-Mischungen zwei bis drei Jahre nach der Aussaat auf ihrem Höhepunkt der aufkommenden Artenvielfalt befinden. Mit zunehmenden Alter nimmt auch auf unseren Projektflächen die Artenvielfalt wieder ab. In der folgenden Grafik ist die Entwicklung der Artenvielfalt aller Blühpflanzen sowie der Pflanzen für spezialisierte Arten dargestellt.
Für beide Kategorien ist ein klarer abnehmender Trend sowie eine Erweiterung der Streuung erkennbar. Mit zunehmenden Alter der Flächen gleichen sich die Konkurrenzverältnisse an. Gräser sind häufig dominanter als krautige Pflanzen und können sich unter bestimmten Bedingungen leichter durchsetzen. Förderlich für die Entwicklung der Gräser waren vor allem das trockene Jahr 2023, unter dem die Blühpflanzen eher gelitten haben sowie das feuchte Jahr 2024, welches das Wachstum der Gräser gefördert hat. Die Entwicklung und die Etablierung wertvoller und artenreicher Standorte ist auch ganz entscheidend vom Pflegemanagement abhängig. Zuträglich sind zum Beispiel ein angepasstes Mahdmanagement mit der Abmagerung der Fläche durch die Abtragung des Mahdguts. Paradoxerweise konnten die untersuchten Flächen im Projekt durch die durchzuführenden Monitoringmaßnahmen teilweise zu spät oder nur unzureichend gepflegt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass das suboptimale Pflegemanagement den Abwärtstrend in der Artenvielfalt zusätzlich beeinflusst hat.
Insektenvielfalt
2021 wurde erstmals auch die Vielfalt der Wildbienen auf den Projektflächen mit professioneller Unterstützung evaluiert:
Zusammenarbeit mit Universität Freiburg:
In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg wurden 2 Masterarbeiten vergeben, über die a) die Attraktivität zweier Projektflächentypen für Wildbienen verglichen werden und b) die Blütenbesucher auf Projektflächen und naheliegenden nicht-Projektflächen ausgewertet werden.
- Vergleich zweier Projektflächentypen (Einsaat mit Saatgut aus dem Feldanbau und Einsaat mit Wiesendrusch):
Die Abschlussarbeit zeigte, dass besonders ein hohes, aber auch vielfältiges Blütenangebot für die Abundanz und den Artenreichtum der untersuchten Blütenbesucher von hoher Bedeutung ist. Generell schienen die Wildblumenwiesen beider Saatgutmischungen den Bienen und Schwebfliegen Nahrungshabitate zu bieten. Hinsichtlich der Bienen erwiesen sich allerdings die Wildblumenwiesen der Saatgutmischung von Rieger-Hofmann wegen eines doppelt so hohen Blütendeckungsgrades und einer für Bienen attraktiveren Artenzusammensetzung der Blütenpflanzen im Vergleich zu den Wildblumenwiesen durch Wiesendruscheinsaat als effektiver zur Förderung der Blütenbesucherdiversität. Einige der von Bienen gerne besuchten Blütenpflanzenarten fehlten in den Wildblumenwiesen des Wiesendrusch-Saatgutes, was nach dem niedrigeren Blütendeckungsgrad zu den Faktoren zählte, welche die geringere Bienendiversität erklärten.
2. Vergleich Projektflächen (zwei Saatgutmischungen von Rieger-Hofmann) und naheliegenden Nicht-Projektflächen
Vergleich der Pflanzenvielfalt: Auf beiden Projektflächentypen wurden signifikant mehr Pflanzenarten dokumentiert. Die Blütendeckung zeigte sich außerdem diverser und mit höheren Anteilswerten als auf den Nicht-Projektflächen. Es kann daher der Rückschluss gezogen werden, dass Projektflächen über das Jahr ein besseres und durchgehenderes Blütenangebot bieten. Von den in den Saatmischungen vorhanden Arten haben sich 50-70% Arten etabliert, abhängig von der Saatgutmischung.
Bienenfunde: Auf einer der beiden Saatmischungen konnte eine größere Wildbienenvielfalt dokumentiert werden (Diversität, Artenreichtum, Abundanz). Die zweite untersuchte Saatgutmischung zeigte teils eine signifikant kleinere Wildbienenvielfalt. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese Mischung jedoch weniger Honigbienen und relativ mehr Wildbienen anlockte. Nachweislich profitieren Bienen von erhöhter Blütendeckung und Pflanzendiversität.
Bestäuber-Pflanzen-Interaktionen: Es zeigten sich vielfältigere und stabilere Interaktionen auf den Projektflächen als auf den Vergleichsflächen. Auf den Projektflächen werden durch Blütenbesucher im Mittel mehr Pflanzen besucht und jede Pflanze wird von mehr Blütenbesuchern besucht, da besseres und vielfältigeres nutzbares Angebot als auf den Vergleichsflächen.
Zusammenarbeit mit Julius Kühn-Institut in Braunschweig
In Zusammenarbeit mit dem Julius Kühn-Institut wird seit 2021 ein Farbschalenmonitoring umgesetzt. Seit dem Jahr 2023 sind alle Naturparke Baden-Württembergs daran beteiligt. Pro Naturpark werden zwischen sechs und acht Projektflächen untersucht. Zusätzlich werden Daten auf einigen Vergleichsflächen aufgenommen. Die über die Jahre gesammelte Datenreihe wird in die Forschungsarbeit des JKI integriert.
Auf den Versuchsflächen werden jeweils drei Farb-Fang-Schalen aufgestellt und für 24 Stunden auf der Fläche belassen. Die gefangenen Bienen werden durch das JKI präpariert und auf Artniveau bestimmt. Bei der Untersuchung werden lediglich Wildbienen aufgenommen, andere gefangene Insekten und auch die Honigbiene werden nicht in die statistische Betrachtung einbezogen. Vorkommende Wildbienenarten werden in Zusammenhang mit einer Vegetationserfassung am Standort sowie Wetterdaten betrachtet.
Hauptziele der Untersuchungen sind:
- Wildbienendiversität auf Projektflächen kann Projekterfolg/-misserfolg anzeigen
- Vorkommen/Fehlen von Wildbienengruppen hilft das Projekt zu verbessern
- Projekt kann durch seine große Flächenanzahl zur Wildbienenforschung beitragen
Mit den Daten aus den Jahren 2021 und 2022 konnten erste Ergebnisse aufgearbeitet werden. Insgesamt wurden im Jahr 2021 in den vier untersuchten Naturparken 1187 Individuen und 115 verschiedene Wildbienenarten gefunden. Im Jahr 2022 nahmen bereits sechs der sieben Naturparke Baden-Württembergs am Monitoring teil. Es wurden insgesamt 121 Arten und 1466 Individuen aufgenommen. Über alle teilnehmenden Naturparke und die beiden Untersuchungsjahre hinweg wurden insgesamt 166 Wildbienenarten gefunden (in Deutschland sind 604 Wildbienenarten nachgewiesen).
Da die Untersuchung über mehrere Jahre auf den gleichen Flächen durchgeführt wird, kann die langfristige Entwicklung der Wildbienenpopulationen beobachtet und in Bezug zu den jeweiligen örtlichen Bedingungen wie Witterung, Klima, Vegetation und Pflegemanagement gesetzt werden. Die Daten aus den Jahren 2023 und 2024 befinden sich derzeit noch in der Phase der Aufbereitung und können anschließend die Aussagekraft der Untersuchung weiter ausbauen.
Auf den untersuchten Flächen in den Jahren 2021 und 2022 konnten verschiedene Arten der Roten Liste gefunden werden:
Lasioglossum marginatum (Gefährdungskategorie R- extrem selten): 1 Individuum
Halictus scabiosae (Gefährdungskategorie V – Vorwarnliste): 110 Individuen
Bombus sylvarum (Gefährdungskategorie V): 31 Individuen
Andrena hattorfiana (Gefährdungskategorie V): 1 Individuum
Osmia leaiana (Gefährdungskategorie 3 – gefährdet): 2 Individuen
Osmia spinulosa (Gefährdungskategorie 3): 2 Individuen
Osmia rufohirta (Gefährdungskategorie 3): 1 Individuum
Andrena bucephala (Gefährdungskategorie 3): 1 Individuum
Lasioglossum sexnotatum (Gefährdungskategorie 2 – stark gefährdet): 3 Individuen